Kunigunde, Erzherzogin von Österreich und Herzogin von Bayern-München (1465-1520) Eine Biographie



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Kunigunde, Erzherzogin von Österreich und Herzogin von
Bayern-München (1465-1520) - Eine Biographie
Inaugural-Dissertation
zur Erlangung des akademischen Grades
eines Doktors der Philosophie
an der Universität Mannheim
vorgelegt von
Karina Graf
aus Kaiserslautern

Erstkorrektor: Prof. Dr. Karl-Friedrich Krieger, Lehrstuhl für Mittelalterliche
Geschichte
Zweitkorrektor: Prof. Dr. Michael Erbe, Lehrstuhl für Neuere Geschichte
Dekan: Prof. Dr. Kai Brodersen
Tag der mündlichen Prüfung: 16. August 2000

Gliederung
1. Einleitung ......................................................................................................
1.1 Problemstellung ......................................................................................
1.2 Quellenlage und Literatur .......................................................................
2. Familiärer Hintergrund - Eltern und Geschwister .........................................
3. Kindheit und Jugend der Erzherzogin Kunigunde.........................................
3.1 Geburt und erste Lebensjahre am Hof der Mutter (1465-1467) .............
3.2 Erziehung unter der Obhut des Vaters (1467-1480) ..............................
3.3 Erste Aufritte in der Öffentlichkeit ........................................................
3.4 Versuch der Entführung der Kaiserstochter im ungarischen Krieg ........
4. Erzherzogin Kunigunde als Objekt habsburgischer Familienpolitik – erste
Heiratsprojekte .............................................................................................
5. Der Aufenthalt am Hof Erzherzog Sigmunds in Tirol (1485-1487) .............
5.1 Der Alltag am Tiroler Hof ......................................................................
5.2 Erste Kontakte mit Herzog Albrecht von Bayern-München ..................
5.3 Spätere Kontakte Kunigundes zu ihren Tiroler Verwandten .................
6. Herzog Albrecht IV. von Bayern-München, seine politischen Ziele und die
Beziehungen zu Erzherzog Sigmund von Tirol ...........................................
7. Kunigundes Hochzeit mit Herzog Albrecht von Bayern-München ..............
7.1 Erste Verhandlungen ..............................................................................
7.2 Widerstände des Kaisers gegen die Heirat seiner Tochter .....................
7.3 Letzte Heiratsvorbereitungen .................................................................
7.4 Die Hochzeit in Innsbruck ......................................................................
7.5 Reaktionen auf die Innsbrucker Hochzeit ................................................
7.6 Zum Problem der angeblich gefälschten Einverständniserklärung
Kaiser Friedrichs ...................................................................................
7.7 Die endgültige Regelung der Mitgiftfrage Kunigundes .........................
8. Konfikt und Versöhnung - Das Verhältnis zu Kaiser Friedrich und König
Maximilian 1487-1492 .................................................................................
8.1 Politische Verhältnisse ...........................................................................
8.2 Die Stellung Kunigundes in der Auseinandersetzung zwischen
Ehemann und Vater ...............................................................................
8.3 Vom Augsburger Vergleich bis zur endgültigen Versöhnung mit
Kaiser Friedrich III. ...............................................................................
9. Das Verhältnis der Geschwister Kunigunde und Maximilian ......................
10. Kunigunde als bayerische Herzogin (1487-1508) ......................................
10.1 Die Ehe mit Herzog Albrecht ..............................................................
10.2 Die Kinder des bayerischen Herzogspaares .........................................
10.3 Die Hofhaltung .....................................................................................
11. 
 
Klärung der finanziellen Verhältnisse nach dem Tode Herzog Albrechts ..
11.1 Das Testament der Herzogin ................................................................
11.2 Die Rückzahlung der von Herzog Albrecht hinterlassenen Schulden ..
12. Witwenzeit im Pütrich-Regelhaus zu München (1508-1520) .....................
12.1 Die Entwicklung des Hauses und erste Kontakte der Herzogin zu den
Schwestern des Regelhauses .................................................................
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12.2 Eintritt der Herzogin in das Münchner Pütrich-Regelhaus gegen den
Widerstand des Hofes............................................................................
12.3 Tägliches Leben im Kloster .................................................................
12.4 Der Bücherbesitz Herzogin Kunigundes .............................................
12.5 Stiftungen der Herzogin zugunsten des Pütrich-Klosters ....................
12.6 Die Klosterreform von 1518 ................................................................
13. Die Entlarvung der religiösen Schwindlerin Anna Laminit aus Augsburg .
13.1 Anna Laminit: Leben und Charakter ....................................................
13.2 Die Einladung der Anna Laminit nach München und die Aufdeckung
ihres Betrugs durch Herzogin Kunigunde .............................................
13.3 Annas Verhalten nach ihrer Rückkehr nach Augsburg und die
Antwort der Herzogin auf deren Behauptungen ....................................
14. Engagement der Herzogin für ihre Kinder ..................................................
14.1 Kunigundes Rolle in der Auseinandersetzung um die Nachfolge
Herzog Albrechts ...................................................................................
14.1.1 Die Regierung Herzog Wilhelms IV. bis 1514 ..........................
14.1.2 Die beiden Münchner Landtage von 1514 und Kunigundes
Rolle in der Auseinandersetzung der Herzöge Wilhelm und
Ludwig .......................................................................................
14.1.3 Der Sturz des Hofmeisters Hieronymus von Stauf und die
endgültige Einigung der Herzöge Wilhelm und Ludwig ...........
14.2 Kunigunde und ihre Tochter Sabine von Württemberg .......................
15. Korrespondenz der Herzogin Kunigunde ....................................................
16. Tod der Herzogin und Memoria ..................................................................
16.1 Kunigundes Tod ...................................................................................
16.2 Versuch einer Charakterisierung Kunigundes  .....................................
16.3 Herzogin Kunigunde in der Kunst .......................................................
16.4 Nachleben in Literatur und Forschung .................................................
17. Zusammenfassung und Ergebnisse .............................................................
Anhang: Kurzregesten der Briefe Kunigundes .................................................
Abkürzungsverzeichnis .....................................................................................
Literaturverzeichnis ..........................................................................................
1. Archivalische Quellen ..............................................................................
2. Gedruckte Quellen und Regestenwerke ...................................................
3. Darstellungen ...........................................................................................
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1
1. Einleitung
1.1 Problemstellung
Wenn der Österreicher die Reihe großer und wohlwollender Herrscher, welche
die Monarchie beglückten, betrachtet, darf er Fürstinnen nicht unbeachtet lassen,
welche durch Geist, Tugend und Anmuth der Stolz und die Zierde ihrer Zeit
waren. Ihrer zu gedenken, scheint nicht ohne Verdienst zu sein.
1
Mit diesen Worten leitete Johann Mayrhofer vor mehr als 150 Jahren die erste neuzeitli-
che Biographie der österreichischen Erzherzogin Kunigunde ein, der im 19. Jahrhundert
mehrere Studien zu einzelnen Aspekten ihres Lebens folgen sollten. Mit seiner Einlei-
tung drückte Mayrhofer gleichzeitig aber auch ein Problem der Geschichtsschreibung
aus, das sich erst in den letzten Jahren und Jahrzehnten änderte. Zwar wurde die Be-
deutung der Kaiserinnen der ottonischen und salischen Dynastien in der Forschung
schon früh erkannt und dargestellt,
2
 die Lebensläufe der Fürstinnen aber treten beson-
ders im späten Mittelalter trotz zunehmender Quellenfülle kaum aus dem Schatten ihrer
Ehemänner heraus. Meist wurden die Fürstinnen nur dann in der Forschung beachtet,
wenn sie außergewöhnliche und „spektakuläre“ Biographien aufweisen konnten, wie
etwa Barbara von Brandenburg,
3
 Agnes Bernauer,
4
 Agnes von Baden
5
 oder Mechthild
von der Pfalz, die sich durch ihr ausgeprägtes Mäzenatentum auszeichnete.
6
Das Leben der Habsburgerin Kunigunde, der Tochter Kaiser Friedrichs III., scheint auf
den ersten Blick im Vergleich mit den oben genannten Fürstinnen keine derartigen Ab-
weichungen von der Norm aufzuweisen; in ihrem Fall hat sich allerdings eine
zeitgenössische Lebensbeschreibung erhalten,
7
 was auch im relativ quellenreichen 15.
                                                           
1
Vgl. Johann M
AYRHOFER
: Kunigunde, Kaiser Friedrich´s IV. Tochter, in: Oesterreichische Zeitschrift
für Geschichts- und Staatskunde 2 (1836), S. 197-199, 201-203, 205-206.
2
Die umfangreiche Literatur zu diesem Thema soll an dieser Stelle nicht im Einzelnen aufgeführt
werden. Eine Zusammenfassung des Literaturstandes geben jedoch Hans-Werner G
ÖTZ
: Frauen im
frühen Mittelalter. Frauenbild und Frauenleben im Frankenreich. Köln 1995 sowie Kurt-Ulrich
J
ÄSCHKE
: Notwendige Gefährtinnen. Königinnen der Salierzeit als Herrscherinnen und Ehefrauen im
römisch-deutschen Reich des 11. und beginnenden 12. Jahrhundert. Saarbrücken-Scheidt 1991 und
Franz-Reiner E
RKENS
: „Sicut Esther regina“. Die westfränkische Königin als consors regni, in: Francia
20,1 (1993), S. 15-38.
3
Vgl. Italo B
ACIGALUPO
: Barbara, geborene Markgräfin zu Brandenburg, verwitwete Herzogin zu
Crossen (1464-1515), und der von ihr gestiftete Gutenstetter Altar, in: Jahrbuch für fränkische
Landesforschung 46 (1986), S. 45-61.
4
Vgl. Werner
 
S
CHÄFER
: Agnes Bernauer und ihre Zeit. München 1987.
5
Vgl. Peter H
IRSCHFELD
: Markgräfin Agnes von Baden, Gemahlin Herzog Gerhards VII. von
Schleswig. Ein Beitrag zur Kulturgeschichte des 15. Jahrhunderts (Quellen und Forschungen zur
Geschichte Schleswig-Holsteins, Bd. 34). Neumünster 1957.
6
Vgl. Renate K
RUSKA
: Mechthild von der Pfalz. Im Spannungsfeld von Geschichte und Literatur.
Frankfurt 1989; Hans-Martin M
AURER
: Eberhard und Mechthild. Untersuchungen zur Politik und
Kultur im ausgehenden Mittelalter. Stuttgart 1994.
7
Joseph H
EYRENBACH
 (Hg.): Kaiser Friedrichs Tochter Kunigunde. Ein Fragment aus der Oesterreich-
Bayerischen Geschichte. Nach dem Wiener Original. Wien 1778. Zu dieser Biographie vgl. auch
unten, Kap. 1.2.: Quellenlage und Literatur.

2
Jahrhundert eine Seltenheit ist. Beleuchtet man mit Hilfe dieser Biographie und anderer
Quellen das Leben der österreichischen Erzherzogin näher, lassen sich auch in Kuni-
gundes Biographie Auffälligkeiten und Besonderheiten finden, die eine weitere Be-
trachtung und Untersuchung der Vita der Habsburgerin rechtfertigen. Einzelne Aspekte
wurden daher auch in der Vergangenheit bereits untersucht, so beispielsweise die im
Ablauf noch immer umstrittene Heirat der Erzherzogin mit Herzog Albrecht IV. von
Bayern-München. Ein weiteres Beispiel für die Abweichung vom üblichen Lebenslauf
einer spätmittelalterlichen Fürstin ist der scheinbar plötzliche Entschluß Kunigundes,
sich nach dem Tod ihres Gatten vom Münchner Hofleben zurückzuziehen und sich in
das in der Nähe der hauptstädtischen Residenz gelegene Pütrich-Regelhaus zu begeben,
um dort gemeinsam mit den Franziskanerinnen zu leben. Da dieses Verhalten nicht ge-
rade den Normen der Zeit entsprach, ergibt sich an dieser Stelle die Frage nach den
Motiven für die ungewöhnliche Verhaltensweise. Daß sich die Herzogin während ihrer
letzten Lebensjahre aktiv in die bayerische Politik einmischte, ist ebenfalls ungewöhn-
lich, wenn man ihre mit Ausnahme ihres Engagements im Landshuter Erbfolgekrieg
meist passive Haltung in früheren politischen Auseinandersetzungen kennt. Besonders
deutlich wird diese veränderte Haltung im Zusammenhang mit der Auseinandersetzung
ihrer Söhne Wilhelm und Ludwig um die von Herzog Albrecht IV. eingeführte Primo-
geniturordnung: Bei deren Entstehung im Jahr 1506 läßt sich keine aktive Beteiligung
der Herzogin nachweisen; im Jahr 1514 dagegen, als es zwischen ihren Söhnen Wilhelm
und Ludwig zu einem Konflikt um die Erbfolge im Herzogtum Bayern kam, war Kuni-
gunde aktiv an dessen Beilegung beteiligt.
Diese wenigen Beispiele zeigen, daß sich das Verhalten Kunigundes besonders nach
dem Tod ihres Gatten deutlich von dem früherer Jahre unterschied. Daraus ergibt sich
die Frage nach der Persönlichkeitsentwicklung der Herzogin; diese Arbeit soll daher
unter anderem untersuchen, ob man die aus diesen wenigen Beispielen gewonnene
Vermutung aufrecht halten kann, daß sich die Habsburgerin im Laufe ihres Lebens von
einer anfangs passiven Kaiserstochter, die oft scheinbar nur ein „Spielball“ der habsbur-
gischen Familienpolitik war, zu einer Persönlichkeit entwickelte, die durchaus im
Stande war, ihre eigene Meinung zu vertreten und auch durchzusetzen.
Um diese Frage beantworten zu können, soll in der vorliegenden Arbeit ein Überblick
über das Leben der Habsburgerin gegeben werden, wobei sich die Aufteilung in drei
große Abschnitte anbietet:

3
1. Kunigunde als Tochter Kaiser Friedrichs III. und als Teil der habsburgischen Familie
2. Kunigunde als Frau Herzog Albrechts IV. von Bayern-München und als bayerische
Herzogin
3. Kunigunde als Witwe und Mutter
Natürlich können diese drei Lebensabschnitte der Herzogin nicht isoliert betrachtet wer-
den, da die Grenzen der Lebensabschnitte ineinander übergehen: So war Kunigunde
selbstverständlich schon während ihrer Ehe mit Herzog Albrecht darum bemüht, sich für
die Interessen ihrer Kinder einzusetzen. Gewissermaßen als Klammer der Biographie
sind allgemeine Kapitel zu sehen, die sich beispielsweise mit dem Verhältnis der
Geschwister Kunigunde und Maximilian oder mit dem Briefwechsel der Herzogin aus-
einandersetzen.
In den Rahmen des ersten Teilstückes gehört beispielsweise die Frage nach der Bildung
und Erziehung Kunigundes, wie diese nach dem frühen Tod der Mutter organisiert
wurde oder durch wen sie erfolgte. Auch die Rolle, die Vater und Bruder in der Kindheit
der Erzherzogin spielten, sowie die Prägung durch ihre Familie für ihr weiteres Leben
sind in diesem Zusammenhang zu untersuchen. Daneben ist auch schon die politische
Bedeutung, die Kunigunde trotz ihrer Jugend zukam, anhand der verschiedenen
Heiratsprojekte zu ermitteln.
Für die Zeit, die Kunigunde als bayerische Herzogin an der Seite ihres Gatten ver-
brachte, ist die Quellenüberlieferung weniger dicht als für ihre letzten Lebensjahre.
Dennoch soll versucht werden zu klären, in wie weit Kunigunde die Aufgaben und
Pflichten, die man von einer spätmittelalterlichen Fürstin erwartete, erfüllte. In diesem
Zusammenhang ist auch die Stellung Kunigundes nach ihrer Heirat zu prüfen. Fühlte sie
sich auch nach ihrer Übersiedlung nach München als Mitglied der Familie der Habsbur-
ger oder setzte sie sich eher für die Interessen ihrer neuen Familie, der Wittelsbacher,
ein und änderte sich dieser Einsatz eventuell nach der Geburt der gemeinsamen Kinder?
Im letzten Abschnitt soll vor allem versucht werden, die Fragen nach den Motiven für
den Eintritt in das Münchner Pütrich-Regelhaus sowie nach dem alltäglichen Leben der
Herzogin in dieser Einrichtung zu beantworten, wobei die Analyse der religiösen Inter-
essen in engem Zusammenhang mit dieser Fragestellung steht. Auch das politische
Engagement, das Kunigunde in diesem Lebensabschnitt zeigte, und die Beweggründe
für ihr Handeln sind hier von Interesse.

4
Abschließend soll versucht werden, aus den angesprochenen Einzelstücken ein Persön-
lichkeitsbild der Herzogin zu entwerfen und die eingangs gestellte Frage nach der Per-
sönlichkeitsentwicklung Kunigundes zu beantworten. Dabei soll auch betrachtet wer-
den, ob die Herzogin sich in ihren Ansichten eher noch dem Mittelalter oder teilweise
auch schon dem in der Renaissance aufkommenden Gedankengut verpflichtet fühlte.
1.2 Quellenlage und Literatur
Auf den ersten Blick erscheint die Anzahl der Quellen, die das Leben der Erzherzogin
Kunigunde von Österreich näher beleuchten, eher gering, sieht man einmal davon ab,
daß ihr Schicksal in der schon oben erwähnten zeitgenössischen Lebensbeschreibung
eines unbekannten Autors Beachtung fand.
8
 Diese 1778 erstmals im Druck erschienene
Biographie wurde stilistisch dem „Weißkunig“ nachempfunden, den ihr Bruder, der
römisch-deutsche Kaiser Maximilian I. verfaßte hatte,
9
 und erzählt, teils realistisch, teils
aber auch in der Art eines höfischen Romans, die wichtigsten Stationen im Leben der
Heldin, wobei der Schwerpunkt der Darstellung auf die ersten Lebensjahre Kunigundes
bis zu ihrer Heirat mit Herzog Albrecht IV. von Bayern-München gelegt wurde. Auf-
grund der Stilähnlichkeiten der Erzählung mit dem „Weißkunig“ und der thematischen
Schwerpunkte der Erzählung liegt die Vermutung nahe, daß der Verfasser aus der Um-
gebung Kaiser Maximilians stammte, was auch durch die konsequente Habsburger-
freundliche Tendenz der Schrift bestätigt wird. Für die Annahme, daß es sich bei dem
Autor der Biographie um einen intimen Kenner der Familie Habsburg handelte, spre-
chen ebenso dessen Vertrautheit mit den Inhalten der wichtigsten Urkunden
Kunigundes. So ist er zum Beispiel sowohl über die Bestimmungen der Heiratsabrede
als auch über das Testament der Herzogin bis in Details unterrichtet.
Möglicherweise entstand die Biographie der Erzherzogin noch zu ihren Lebzeiten, da
die Schilderung der historischen Ereignisse ihrer Jugend bis hin zum Tod Herzog
Albrechts vergleichsweise viel Platz eingeräumt wurde; der spätere Einsatz Kunigundes
für ihre Kinder fand dagegen keine Erwähnung mehr. Hier drängt sich die Vermutung
                                                           
8
Vgl. H
EYRENBACH
, Kunigunde.
9
So werden in beiden Werken die wichtigsten Personen mit gleichen oder ähnlichen Verschlüsselungen
bezeichnet, z.B. der alt weiß kunig  für Kaiser Friedrich III., „der jung weiß kunig“  für Maximilian
oder  der grun kunig  für König Matthias Corvinus von Ungarn. Zu Kaiser Maximilians „Weißkunig
vgl. Jan-Dirk M
ÜLLER
: Gedechtnus. Literatur und Hofgesellschaft um Maximilian I. (Forschungen zur
Geschichte der älteren deutschen Literatur, Bd. 2). München 1982, bes. S. 130-148; D
ERS
.: Kaiser
Maximilian I., in: VL, Bd. 6 (1987), Sp. 204-236 sowie Georg M
ISCH
: Die Stilisierung des eigenen
Lebens in dem Ruhmeswerk Kaisers Maximilians, des letzten Ritters, in: Gesellschaft der
Wissenschaften zu Göttingen, philosophisch-historische Klasse, Nachrichten (1930), S. 435-459.

5
auf, daß das letzte Kapitel der Vita, das über den Tod der Herzogin berichtet, nachträg-
lich angefügt wurde, um dem Gesamtwerk einen Abschluß zu geben. Trotz einer teil-
weise sehr poetischen Ausdrucksweise ist der Wahrheitsgehalt der Biographie an vielen
Stellen durch zahlreiche andere Quellen, beispielsweise durch Gesandtenberichte, Briefe
oder Urkunden, zu belegen; kritisch zu betrachten sind dagegen besonders die Episoden
der Handlung, in der fiktive Figuren in die Handlung mit eingebunden sind, wie
beispielsweise Frau Minne, die für die angebliche Fälschung der Heiratsabrede durch
Herzog Albrecht verantwortlich gemacht wird. Gerade für die Kindheit und Jugend, in
der die archivalischen Quellen spärlich sind, bietet die Biographie der Erzherzogin eine
nicht zu unterschätzende Fülle von Informationen, die durch schriftliche Belege wie
beispielsweise Rechnungen, Urkunden oder Gesandtschaftsberichte ergänzt oder verifi-
ziert werden können.
Herausgegeben und mit einem Anhang der wichtigsten Urkunden versehen wurde diese
Biographie von dem Wiener Jesuiten Joseph Benedikt Heyrenbach, der auch für die
Edition einer Weißkunig-Ausgabe sorgte.
10
 Leider ist das von Heyrenbach benutzte
Original der Kunigunde-Biographie heute nicht mehr aufzufinden, so daß die Frage nach
eventuellen Änderungen durch den Herausgeber nicht mehr zu beantworten ist.
Mit dem Erreichen des Erwachsenenalters wächst auch die Zahl der archivalischen
Quellen, wenn auch der überwiegende Teil der Dokumente, welche die Heirat Kunigun-
des und Albrechts regelten, im 2. Weltkrieg verloren gegangen ist. Glücklicherweise
liegen von diesen aber Regesten-ähnliche Auszüge des Münchner Archivars Michael
Arrodenius vor;
11
 auch die frühere Forschung, zu nennen ist hier besonders der
                                                           
10
Zu Heyrenbach († 1779) vgl. Ulrich Z
ANGENFEIND
: Heyrenbach, Joseph Benedikt, in: Karl Bosl (Hg.):
Bosls Bayerische Biographie. 8000 Persönlichkeiten aus 15 Jahrhunderten. Regensburg 1983 (künftig:
BBB), S. 346 sowie Artikel „Heyrenbach, Joseph Benedikt“ in ADB, Bd. 12, S. 379f. Heyrenbach
sorgte in seinem „Codex probationum“ unter anderem für den Abdruck eines Schreibens König
Maximilians an den kaiserlichen Hofmarschall Sigmund von Prüschenk aus dem Jahr 1485, in dem er
den Herzog von Savoyen als einen Kandidaten um die Hand seiner Schwester vorschlug. Dieses
Schreiben ist ebenfalls abgedruckt bei Viktor von K
RAUS
 (Hg.): Maximilians I. vertraulicher
Briefwechsel mit Sigmund Prüschenk Freiherrn zu Stettenberg nebst einer Anzahl zeitgenössischer das
Leben am Hofe beleuchtender Briefe. Innsbruck 1875, hier S. 49. Zudem finden sich in diesem
Anhang ein Memorial des Tiroler Erzherzog Sigmunds an Herzog Albrecht IV. von Bayern-München
bezüglich der geplanten Heirat (heute im TLA Innsbruck, Kopialbücher Ältere Reihe J/8 (1486), fol.
267-270), eine Instruktion des Erzherzogs für seine Gesandten auf ihrer Reise zum Kaiser (heute im
TLA Innsbruck, Kopialbücher Ältere Reihe J/8 (1486), fol. 181f.), die Heiratsabrede (heute im TLA
Innsbruck, Kopialbücher  Ältere Reihe J/8 (1486), fol. 151-155), die Versicherung Sigmunds, die
versprochene Ausstattung Kunigundes zu zahlen, der Morgengabebrief Herzog Albrechts (heute im
Geh.HausA in München, Hausurkunden, Nr. 813 sowie in Wien HHStA, AUR (Familienurkunden
798) vom 4.1.1487, der Augsburger Schiedsspruch und Kunigundes Erbverzicht von 1492 sowie der
Verkaufsbrief Maximilians bezüglich der Herrschaft Abensberg an Albrecht IV.
11
  Zu Michael Arrodenius (†1598/1603?) vgl. Kurt M
ALISCH
: Arrodenius, Michael, in:
 
BBB, S. 28.

6
bayerische Historiker Sigmund von Riezler, hat diese verlorenen Dokumente eingesehen
und  überliefert. Andere wichtige, das Leben Kunigundes betreffende Urkunden haben
sich dagegen erhalten; zu diesen gehören beispielsweise die Heiratsabrede aus dem Jahr
1486, die Erbverzichtserklärung von 1492 und das 1508 entstandene Testament der
Herzogin.
Einige Erkenntnisse zum Leben Kunigundes liefert auch ihre Korrespondenz mit ver-
schiedenen Familienangehörigen; diese Briefe wurden teilweise wohl in der Münchner
Kanzlei ihres Ehemannes geschrieben, teilweise, besonders bei der Korrespondenz mit
ihren Söhnen Ludwig und Wilhelm, griff die Herzogin selbst zur Feder.
In der Anfangszeit ihrer Ehe korrespondierte die bayerische Herzogin vor allem mit
ihren Tiroler Verwandten, Erzherzog Sigmund und dessen zweiter Gattin Katharina,
aber auch mit wichtigen Personen am Hofe ihres Vaters, wie beispielsweise dem kaiser-
lichen Protonotar Johann Waldner. Später waren es vor allem Bittschreiben, die Kuni-
gunde im Namen dritter Personen an ihren Bruder Maximilian oder an ihre Söhne
richtete. Als die Herzogin nach dem Tod ihres Ehemannes dessen Schulden bei
verschiedenen Kirchen und Klöstern des Landes bezahlte, hielt sie ihren ältesten Sohn
Wilhelm brieflich über die Fortschritte dieses Unternehmens auf dem Laufenden.
Ebenso haben sich Teile ihrer Korrespondenz mit König Karl V., dem Enkel und
Nachfolger Kaiser Maximilians, sowie mit dem portugiesischen König Emanuel I.
erhalten, die teilweise schon gedruckt wurden.
12
Material zur Vita der Erzherzogin tragen auch verschiedene zeitgenössische oder kurz
nach dem Tod Kunigundes entstandene erzählende Quellen bei, die größtenteils schon
längere Zeit im Druck vorliegen; zu nennen sind hier der „Fuggersche Ehrenspiegel des
Hauses Habsburg“
13
 sowie die Werke der bayerischen Historiker Aventin, Veit
Arnpeck,
14
 Cuspinian und der Fortsetzer der Bayerischen Chronik des Ulrich Fuetrer,
einige Städtechroniken sowie Liliencrons Sammlung historischer Volkslieder.
15
                                                           
12
Friedrich K
UNSTMANN
: Schreiben des Schwesternhauses zum Pütrich in München an den König
Emanuel von Portugal, aus dem Lissabonner Archive mitgetheilt, in: OA 6 (1845), S. 418-421.
13
Johann Jacob F
UGGER
/Sigmund von B
IRKEN
: Spiegel der Ehren des Höchstlöblichen Kayser- und
Königlichen Erzhauses Österreich ... ernstlich vor mehr als hundert Jahren verfasset durch ... Johann
Jacob Fugger ... nunmehr aber aus dem Original neußblicher umgesezet ... und in Sechs Bücher
eingeteilet durch Sigmund von Birken. Nürnberg 1668.
14
Georg L
EIDINGER
 (Hg:): Veit Arnpeck, Chronica Baioariorum und Bayerische Chronik, in: Veit
Arnpeck, Sämtliche Chroniken (Quellen und Erörterungen zur bayerischen und deutschen Geschichte,
NF, Bd. 3). Neudr. der Ausgabe München 1915. Aalen 1969. Zu Veit Arnpeck vgl. allgemein
Wolfgang R
APPEL
: Arnpeck, Veit, in: BBB, S. 27 sowie Peter J
OHANEK
: Arnpeck, Veit, in: VL, Bd. 1
(1978), Sp. 493-498. Zu seinem Werk vgl. Dieter R
ÖDEL
: Veit Arnpeck: Publikumsbezogene
Zweisprachigkeit bei „Chronica Baioariorum“ und „Bayerischer Chronik“, in: Rolf Sprandel (Hg.):

7
Auch die letzten Jahre der bayerischen Herzogin, die sie zurückgezogen im Münchner
Pütrich-Regelhaus verbrachte, lassen sich recht gut dokumentieren. Hilfreich sind dabei
die Urkunden des Pütrich-Regelhauses sowie eine handschriftliche „Kurzchronik“ über
Kunigundes Klosterleben, die wohl noch im 16. Jahrhundert entstanden ist und die
offenbar einer späteren Chronik als Vorbild diente.
16
Als Folge dieser zwar verstreuten, aber doch recht dichten Quellenüberlieferung haben
einige Episoden aus dem Leben Kunigundes immer wieder das Interesse der Forschung
geweckt. Schon zum Ende des letzten Jahrhunderts untersuchte Sigmund von Riezler
die Eheschließung mit Herzog Albrecht IV.
17
 Einige Jahrzehnte später analysierte Fried-
rich Roth im Rahmen seiner Abhandlung über die Augsburger Schwindlerin Anna
Laminit auch die Rolle, die die bayerische Herzogswitwe Kunigunde bei der Entlarvung
Annas spielte.
18
 Zuletzt beschäftigte sich Roland Schäffer mit der angeblichen Entfüh-
rung der Kaisertochter aus der Grazer Residenz;
19
 Ferdinand Gelder veröffentlichte
einen Aufsatz zum Bücherbesitz der bayerischen Herzogin.
20
                                                                                                                                                                              
Zweisprachige Geschichtsschreibung im spätmittelalterlichen Deutschland (Wissensliteratur im
Mittelalter, Bd. 14). Wiesbaden 1993, S. 227-270.
15
Reinhold S
PILLER
 (Hg.): Ulrich Füetrer, Bayerische Chronik (Quellen und Erörterungen zur
bayerischen und deutschen Geschichte, NF, Bd. 2,2). Neudr. der Ausgabe München 1909. Aalen 1969
(Die maßgebliche Fortsetzung befindet sich in der Wessobrunner Handschrift, vgl. F
ÜETRER
,
Bayerische Chronik, S. 219-268). Zu Ulrich Füetrer vgl. Kurt N
YHOLM
: Fuetrer, Ulrich, in: VL, Bd. 2
(1980), Sp. 999-1007. Zu seinem Werk vgl. u.a. Maren G
OTTSCHALK
: Geschichtsschreibung im
Umkreis Friedrichs I. des Siegreichen von der Pfalz und Albrechts IV. des Weisen von Bayern-
München. Diss. masch München 1989, bes. S. 86-118. Horst W
ENZEL
: Alls in ain summ zu pringen.
Füetrers  „Bayerische Chronik“ und sein „Buch der Abenteuer“ am Hof Albrechts IV., in: Peter
Wapnewski (Hg.): Mittelalter-Rezeption: Ein Symposion (Germanistische-Symposien-Berichtsbände,
Bd. 6). Stuttgart 1986, S. 10-31; Wolfgang H
ARMS
: Zu Ulrich Füetrers Auffassung vom Erzählen und
von der Historie, in: Zeitschrift für Deutsche Philologie 93 (1974), Sonderheft: Spätmittelalterliche
Epik, S. 185-197 sowie Hellmut R
OSENFELD
: Der Münchner Maler und Dichter Ulrich Fuetrer (1430-
1496) in seiner Zeit und sein Name (eigentlich „Furtter“), in: OA 90 (1968), S. 128-140.
16
Bittrich, voll des himmlischen Manna und süssen Morgen-Thau. Historischer Discurs von dem
Ursprung, Fundation, Auffnamb, glücklichen Fortgang, Tugend-Wandel und andern denckwürdigen
Sachen des Löbl. Frauen-Closters, Ordens der dritten Regul des Heil. Francisci bey Sanct Christophen
im Bittrich genannt. München 1721.
17
Sigmund von R
IEZLER
: Die Vermählung Herzog Albrechts IV. von Bayern mit Kunigunde von
Oesterreich, in: Sitzungsberichte der philosophisch-philologischen und historischen Classe der k.b.
Akademie der Wissenschaften zu München, Bd. 2 (1889), S. 375-394.
18
Friedrich R
OTH
: Die geistliche Betrügerin Anna Laminit von Augsburg (ca. 1480-1518). Ein
Augsburger Kulturbild vom Vorabend der Reformation, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 43, NF 6
(1924), S. 355-417.
19
Roland S
CHÄFFER
: Hundegebell rettet die Kaisertochter. Zum Ursprung der „Schloßbergsage” vom
Steinernen Hund (1481), in: Historisches Jahrbuch der Stadt Graz 11/12 (1979/80), S. 9-35.
20
Ferdinand G
ELDER
: Vom Bücherbesitz der Herzogin Kunigunde von Baiern († 6.8.1520), in: BFB 3
(1975), S. 117-125.

8
Der erste kurze biographische Gesamtabriß des Lebens der österreichischen Erzherzogin
stammt noch aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts;
21
  ähnlich alt sind auch die
Monographien, die das Leben ihres Ehemannes, Herzog Albrecht IV., abhandelten;
22
einzelne Aspekte seiner Herrschaft wurden in den letzten Jahren allerdings gründlicher
untersucht.
23

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